Pressemitteilung
18.11.2021 – Kinder in Deutschland haben seit Jahresbeginn mit Abstand die längsten Schulschließungen in Westeuropa erduldet – eine Fortsetzung dieser Politik ist nicht zu verantworten. Kinder dürfen nicht erneut vom Schulunterricht ausgeschlossen werden – weder ganz noch teilweise. Quarantäne gesunder Kinder ohne COVID-19 Infektion ist zu vermeiden.
Kein OECD-Land hat Grundschulkinder in diesem Jahr so lange wie Deutschland vom regulären Schulunterricht ausgeschlossen. In der Sekundarstufe I hat nur Lettland die Schulen noch länger geschlossen (OECD, 2021). Die verheerenden Auswirkungen auf die Lernfortschritte und Bildungsungleichheit (Wößmann et al., 2021; Sachverständigenrat Wirtschaft, 2021), auf die Psyche der Kinder (Ravens Sieberer et al., 2021; BiB, 2021), auf ihr Gewicht und ihre körperliche Gesundheit sind deutlich sichtbar (Viner et al., 2021; Aust et al., 2021). Die „Aufholpakete“ von Bund und Ländern sind nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.
So zugespitzt die Covid-19-Lage unter Erwachsenen derzeit auch ist – eine Fortsetzung der Schulschließungspolitik ist nicht zu verantworten. Zu groß wäre der Schaden für die betroffenen Kinder und das Land. Eine rasch alternde Gesellschaft, die Bildungs- und Entwicklungschancen und die Gesundheit ihrer Kinder preisgibt, kann zentrale gesellschaftliche Ziele wie Gerechtigkeit, Wohlstand und Nachhaltigkeit nicht erreichen, denn das erfordert eine gesunde, produktive Bevölkerung. Deswegen müssen die politisch Verantwortlichen in den Koalitionsparteien im Bund jetzt zu ihrem Versprechen stehen: Die Schulen und KiTas bleiben offen, und zwar 5 Tage die Woche, mit Haupt- und Nebenfächern, Sport und Freizeitangeboten. Der erlittene Schaden lässt sich nur dann wieder gutmachen, wenn Kinder jetzt alle Möglichkeiten haben, unter guten Bedingungen gemeinsam zu lernen und Erlebnisse zu teilen.
Nach anderthalb Jahren fehlgeleiteter Fokussierung der öffentlichen Debatte und der Eindämmungsmaßnahmen auf Kinder und Schulen erfordert dies klaren politischen Willen und Führung. Die politisch Verantwortlichen müssen sachlich über die Fakten aufklären und der Verbreitung irreführender Information auch aus den eigenen Reihen entschieden entgegentreten.
- Covid-19-Risiken für Kinder sind gering (DGPI, 2021). Auch ohne Impfung ist die Hospitalisierungsrate von unter 18jährigen niedriger als bei geimpften über 40jährigen (PHE, 2021). Zudem werden Kinder anders als Erwachsene regelmäßig getestet. Diese Fakten sind der weit verbreiteten Vorstellung entgegenzuhalten, Kinder seien „als einzige ungeschützt“.
- Long–Covid bei Kindern ist selten und kaum von Lockdown-Folgen zu unterscheiden: Das Phänomen ist unklar definiert und unzureichend untersucht. Die besten verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass auch Kinder, die nachweislich eine Infektion durchlaufen haben, nur selten betroffen sind, und kaum häufiger als Gleichaltrige ohne Infektionsnachweis (Blankenburg et al., 2021; Radtke et al., 2021; ONS, 2021)
- Schulen und KiTas spielen einen untergeordnete Rolle bei der Verbreitung von COVID-19. Erwachsene stecken häufiger Kinder an als umgekehrt ( Heudorf und Gottschalk, 2021a; RKI, 2021).
- Alterspezifische Meldeinzidenzen sind nicht vergleichbar: Derzeit relativ hohe Meldeinzidenzen bei Kindern, die mehrmals wöchentlich verpflichtend getestet werden, sind nicht mit den Werten bei Erwachsenen vergleichbar, die sich nur anlassbezogen testen lassen.