Kindergrundsicherung – Pro und Contra
Eine echte Wende oder nur ein Kratzen an der Oberfläche?
Warum brauchen wir diese?
Nahezu jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht. Ein Thema, das uns als Gesellschaft alle angeht. Aktuell steigen die Lebenshaltungskosten weiter an, was die Teilhabe und Bildung von Kindern mehr und mehr erschwert.
Kinderarmut und die damit verbundenen Folgen laufen einer gerechten Chancenverteilung zuwider und haben weitreichende Konsequenzen für die Gesellschaft als Gesamtheit.
Initiative Familien e.V. begrüßt den Ansatz, Leistungen zu bündeln und zu zentralisieren, sieht aber dringenden Handlungsbedarf in der Ausgestaltung und Finanzierung der Kindergrundsicherung. In der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Form wird es nicht gelingen, Kinderarmut erfolgreich zu bekämpfen.
Das bietet das Gesetz tatsächlich
Aus den bisher unabhängigen großen Bausteinen Kindergeld, Kinderzuschlag und Bildungs- und Teilhabepaket soll eine Kindergrundsicherung für Kinder und Jugendliche entstehen. In der Kindergrundsicherung werden Teilleistungen zusammengefasst und deren Beantragung und Bewilligung zentralisiert und vereinfacht.
Anlaufstelle wird der Familienservice der Bundesagentur für Arbeit sein. Die Stellen müssen für diesen Zweck neu eingerichtet und aufgebaut werden. Die Familienservicestellen bieten einen sog. Kindergrundsicherungs-Check an, um Eltern zu beraten, ob sie Anspruch auf einen Kinderzusatzbetrag haben. Voraussetzung ist, dass Eltern zustimmen und gut über den Check beraten werden.
Das finden wir gut
- Es gibt eine zentrale Anlaufstelle, die Eltern zu Basisleistungen berät und eine Prüfung des Anspruchs durchführt.
- Basisleistungen werden gebündelt.
- Die Holschuld der Eltern wird in eine Bringschuld des Staates umgewandelt. Zentrale Leistungen können nun mit einem Antrag digital abgerufen werden.
- Die Servicestellen holen wichtige Daten mit Zustimmung der Eltern selbst ein.
- Im Rahmen der Kindergrundsicherung soll das Existenzminimum der Kinder bis 2025 neu berechnet werden.
- Unterhaltszahlungen und Unterhaltsvorschuss fließen für Kinder unter 7 Jahren künftig nur zu 45 Prozent als Einkommen in die Berechnung des Zusatzbeitrages ein.
Hier gibt es Verbesserungspotential
- Nicht alle Leistungen werden über die Kindergrundsicherung abgedeckt, Familien müssen auch weiterhin Leistungen zur Teilhabe gesondert beantragen. Hier werden länderspezifische Regelungen greifen.
- Mit 15 € monatlich ist der Beitrag zur Teilhabe (Sport, Kultur, Musik) deutlich zu gering.
- 174 € jährlich für Schulbedarf decken nicht die tatsächlichen Kosten, insbesondere nicht bei Einschulung.
- Ab 2029 soll das digitale Kinderchancenportal eingeführt werden. Trotz digitaler Beantragung muss jede Leistung einzeln beantragt und nachgewiesen werden.
- Leistungen zur Teilhabe am Schulleben (Ausflüge, Klassenfahrten, ÖPNV…) müssen weiterhin gesondert beantragt und bewilligt werden.
- Der Unterhaltsvorschuss wird ab dem 7. Geburtstag nur gezahlt, wenn ein Mindesteinkommen von 600 Euro brutto erzielt wird. Dass ausgerechnet bei Alleinerziehenden das Ziel ist, “Erwerbsanreize zu steigern” und dafür die Altersgrenze von 12 auf 7 Jahre im Unterhaltsvorschussgesetz herabgesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar.
- Der Aufbau der Servicestellen ist mit hohen Kosten (0,5 Mrd. €) und viel Aufwand verbunden. Mitarbeitende müssen gewonnen und geschult werden.
- Das bisherige Existenzminimum ist deutlich zu gering berechnet, insbesondere, da die Kosten für Teilhabe und Bildung gesondert zu Buche schlagen.
- Man geht davon aus, dass mit dem Start der Kindergrundsicherung nur ca. 42% der Anspruchsberechtigten erreicht werden können.
Initiative Familien e.V. kommt zu folgender Auffassung
Offenbar sind bürokratische Prozesse so tief in unserer DNA verwurzelt, dass vereinfachte Verfahren selbst dann nicht möglich sind, wenn es um die Schwächsten in unserer Gesellschaft geht. Kinder sind maximal abhängig von ihrem Umfeld. Und dieses Umfeld stärken wir auch mit diesem Gesetz nicht. Leider. Wenn man von den zahlreichen Voraussetzungen ausgeht, die es bedarf, um Kinder in diesem Land gut auszubilden, gesundes Aufwachsen zu garantieren und Teilhabe zu sichern, kann die Höhe der Leistungen nur als ein Tropfen auf den heißen Stein bezeichnet werden. Es ist und bleibt ein zu geringes Existenzminimum. Wie soll mit diesen Mitteln effektiv Kinderarmut bekämpft werden? Man könnte sogar so weit gehen, zu behaupten, dass aufgrund der geringen Mittel, die als Basisleistungen in der Kindergrundsicherung gebündelt werden, politisch gewollt ist, dass hier weniger Gelder fließen. Dies bedeutet letztendlich, dass die notwendigsten Mittel nur denjenigen zur Verfügung stehen werden, die auch künftig die umfangreichen bürokratischen Hürden überwinden können.
Das fordert Initiative Familien e.V. konkret:
Eine realistische Neuberechnung des Existenzminimums, eine garantierte Bildungs- und Lernmittelfreiheit sowie gesicherte Teilhabe.
- eine umgehende Neuberechnung des Existenzminimums für Kinder
- massive Investitionen in den Bildungsbereich
- kostenfreie, gesunde Mahlzeiten in KiTa und Schule
- flächendeckende Lehr- und Lernmittelfreiheit
- kostenfreie Teilhabe an Sport-, Kultur- und Förderangeboten
- Investitionen in Fachkräfte inklusive entsprechender Personalgewinnungsoffensiven
- kostenfreie Schülerbeförderung (ÖPNV)
- Verzahnung der Bildungs- und Teilhabe-Angebote mit KiTa und Schule, um Teilhabe möglichst niederschwellig zu gestalten
- Und schließlich: einen Kindervorbehalt, um die Interessen der Kinder und Jugendlichen bei politischen Entscheidungen und Gesetzesvorhaben vorrangig zu berücksichtigen
Kurzstellungnahme zum Download.