Wer mit Turnschuhen in einen Berliner Club will, kennt es: breite Schultern versperren den Weg ins Innere. Du kommst hier nicht rein! Diskussion zwecklos.
Dass es nun etwa einer halben Million Berliner Bürgerinnen und Bürger, nämlich Kindern unter 12 Jahren, bald genauso gehen könnte, wenn sie in einem Restaurant essen, ins Kino, ins Museum, zum Sport oder in den Zoo gehen wollen, dafür hat der Berliner Senat heute die Grundlage gelegt. Damit Maskenpflicht und Abstand fallen können, dürfen Veranstalter nun Ungeimpfte ausschließen. Die Berliner 2G Option aber, schließt ausdrücklich Kinder unter 12, für die es noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt, mit ein. Damit wird dem Markt überlassen, ob, durch monatelange Schließungen finanziell angeschlagene Einrichtungen und Etablissements sich zwischen ihrem Gewissen oder ihrem Geldbeutel entscheiden, während die Senatsverwaltung die Verantwortung auf die einzelnen Unternehmen schieben kann.
Wir sagen: So nicht!
Die Senatsverwaltung demonstriert nach Monaten des Distanzunterrichts wie gleichgültig die Rechte der Schwächsten in diesem Bundesland sind. Wir erinnern uns: Im Frühsommer musste das Fernlernen erst durch ein Gerichtsurteil beendet werden, weil es bequemer gewesen wäre, einfach bis zu den Ferien durchzuziehen. Teilhabe, ein UN Kinderrecht, wird ausgerechnet im Bundesland der Kinderarmut mit Füßen getreten! Auch die STIKO hatte sich mit der geänderten COVID-19 Impfempfehlungen für Kinder und Jugendliche von 12 – 17 Jahren ausdrücklich dagegen ausgesprochen, dass bei Kindern und Jugendlichen eine Impfung zur Voraussetzung sozialer Teilhabe gemacht wird. Dieser Part der Empfehlung wurde ignoriert.
Familien mit Kindern haben sich mehr als ein Jahr lang solidarisch verhalten, sind zuhause geblieben, haben Bildungslücken, Gehaltseinbußen, zerbrochene Freundschaften und Karriere-Enden ertragen, um Menschenleben zu schützen bis es ein Impfangebot für alle gibt.
Kinder sitzen zweimal wöchentlich getestet mit Maske in zugigen Unterrichtsräumen, weil die infrastrukturellen Pandemiebekämpfungsmaßnahmen an den Schulen mehr als mangelhaft umgesetzt wurden. Eltern organisieren den Alltag mit Kindern zwischen Zeitslots in Freibädern, Testzentrenbesuchen und selfmade Schwimmunterricht, bezahlen das auf Kredit gekaufte Dritt- und Viertnotebook ab, suchen händeringend nach Nachhilfelehrerinnen und -lehrern um den ausgefallenen Lernstoff nachzuholen oder nach Masken in Kindergröße und versuchen nebenbei im Beruf mit den kinderlosen Kolleginnen und Kollegen, die im zweiten Lockdown eine sechste Fremdsprache gelernt haben, Schritt zu halten.
Der Alltag als Familie in Berlin, einer Stadt in der Familieninfrastruktur wie bezahlbarer Wohnraum, Hebammen, Kitaplätze, Schwimmkurse, Gymnasialschulplätze, intakte Schultoiletten, Jugendhilfeangebote, Sportvereinsplätze, Barrierefreiheit, Zebrastreifen u.v.m. schon vor der Pandemie Mangelware war, ist seit eineinhalb Jahren eine unerträgliche Zumutung geworden. Aber wir haben es hingenommen, weil es darum ging, Menschenleben zu schützen.
Und ausgerechnet diese Familien mit Kindern, die 18 Monate zurückgesteckt, organisiert, verzichtet haben, eben diese Familien sollen jetzt draußen bleiben, damit die Geimpften, für die sie so lange Solidarität aufgebracht haben und immer noch aufbringen, wieder an vollen Tischen ohne Masken die neu gewonnene Maßnahmenfreiheit genießen können?
Nicht mit uns! Wir, Familien dieser Stadt, fordern die Senatsverwaltung auf, unverzüglich eine Gleichstellung aller Kinder und Jugendlichen, die Verliererinnen und Verlierer dieser Pandemie, mit geimpften und genesenen Erwachsenen. Der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens darf nicht vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht werden.
Initiative Familien, Landesgruppe Berlin