Trotz strenger Maßnahmen für viele Kinder weiter keine Bildung und Teilhabe
Mal wieder bzw. für ältere Schüler:innen immer noch geschlossene Schulen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, Notbetrieb in den Kitas in Berlin und Hamburg und seit Monaten überwiegend geschlossene Schulen & Kitas in Bayern, weil dort Bildung nur bis zu einer Inzidenz von 100 ermöglicht wird. Verbindliche zusätzliche Maßnahmen am Arbeitsplatz findet man dagegen selten.
„Die Last der Pandemiebekämpfung ist äußerst ungleich verteilt“, beklagt Zarah Abendschön-Sawall von der Initiative Familien. „Während in immer mehr Bundesländern zwar Schnelltests an Schulen Pflicht werden, scheut sich die Politik immer noch davor, Büros, Behörden und Fabriken verbindlichere Maßnahmen vorzugeben.“ Während Bundeswirtschaftsminister Altmaier selbst eine Testangebotspflicht für Arbeitgeber skeptisch sieht (1), haben diese Woche weitere Bundesländer verpflichtende Schnelltests für den Schulbesuch angekündigt. „Wir befürworten kindgerechte Schutzmassnahmen an Kitas und Schulen und dazu gehört auch ein Testkonzept, idealerweise mit Selbsttests zuhause“, so Zarah Abendschön-Sawall. „Es kann aber nicht sein, dass die Einschränkungen allein für Kinder immer größer werden und dennoch der Präsenzbetrieb in den Bildungseinrichtungen laufend auf der Kippe steht.“ Fast zwei Drittel der Eltern äußern sich aktuell laut DIW_Familienmonitor entsprechend gegen Kita- und Schulschließungen, 60 Prozent der Eltern machen sich Sorgen um die Bildung ihrer Kinder. (2)
“Die Politiker:innen scheinen dagegen auf dem Auge der Infektionen im Arbeitsumfeld blind zu sein“, so Abendschön-Sawall weiter. Bei den RKI-Ausbruchsanalysen steht der Arbeitsplatz regelmäßig auf Rang 2 nach dem privaten Umfeld und auch das Institut für Statistik der LMU München (3) zeigte erst jüngst, dass 16% aller Infektionen, die ihren Ursprung am Arbeitsplatz haben, Folgeinfektionen verursachen, während es bei Schulen und Kitas ca. 10% sind. Das ist von hoher Relevanz, weil wir um ein Vielfaches mehr Erwerbstätige haben als Kinder und Jugendliche. Die Kinderärzt:innen der DGKJ stellten erst letzte Woche trotz großen Anteils der britischen Mutante B117 fest: “Die Frage, ob Kinder zum jetzigen Zeitpunkt überproportional zum COVID 19 – Infektionsgeschehen beitragen, kann daher mit einem klaren NEIN beantwortet werden” (4).
Verpflichtende Schnelltests, strenge Kohorten, Händewaschen oder desinfizieren, Frontalunterricht für Abstand zwischen Schüler:innen und zur Lehrkraft, regelmäßige Belüftung, Maskenpflicht mindestens im Schulgebäude, meist auch am Platz – so sieht Unterricht in Pandemiezeiten aus. Gleichzeitig bleiben Maßnahmen wie Homeoffice und Schnelltests bundesweit optional für Arbeitnehmer, selbst falls konsequent eine Angebotspflicht für Arbeitgeber kommen sollte, und eine breite Kommunikations- und Aufklärungskampagne zum Unterbrechen der Infektionsketten im privaten Bereich bspw. durch Schnelltests bleibt ebenfalls aus.
„Familien und insbesondere die Kinder leisten bereits seit einem Jahr einen riesigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung, möchten aber dafür auch sicheren und verlässlichen Kita- und Schulbetrieb“, so Zarah Abendschön-Sawall. „Ist es tatsächlich moralisch vertretbar, dass wir Kindern und Jugendlichen, obwohl sie nur sehr selten schwere Covid19-Verläufe (5) erleben, die härtesten Maßnahmen zumuten?“, fragt sie. „Dürfen wir die negativen Folgen der Maßnahmen bei Kindern einfach ignorieren? Ist es sinnvoll, dass wir uns in der Debatte immer wieder um Verschärfungen bei Kindern drehen statt den Fokus auf Erwachsene zu legen?“ Neben kindgerechten Infektionsschutzmaßnahmen in den Bildungseinrichtungen fordert die Initiative Familien deshalb dringend, zielgerichtete Maßnahmen im Umfeld der Erwachsenen festzulegen und konsequent anzuwenden und damit verlässlich Bildung und Teilhabe für die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft sicherzustellen.
Quellen:
(1) https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/pandemiebekaempfung-merkel-droht-bundeslaendern-mit-durch griff-wirtschaft-wehrt-sich-gegen-testpflicht/27077924.html
(2) https://www.diw.de/de/diw_01.c.815422.de/nachrichten/familienmonitor_corona__6___schulschliessungen_verlieren_unter_eltern_weiter_an_zustimmung.html
(3) https://www.covid19.statistik.uni-muenchen.de/pdfs/codag_bericht_12.pdf
(4) https://www.dgkj.de/detail/post/presseinfo-kinder-sind-teil-des-sars-cov-2-infektionsgeschehens-zahlen-steigen-aber-nicht-ueberproportional
(5) https://dgpi.de/stellungnahme-dgpi-dgkh-kinder-in-der-covid-19-pandemie-2020-02-05/