02. Dezember 2021 – Die ehrenamtlich engagierten Eltern von Initiative Familien sind allmählich verzweifelt. Seit nunmehr fast zwei Jahren machen sie auf die schwierige Situation von Familien, Kindern und Jugendlichen in Corona-Zeiten aufmerksam, die Studienlage in Bezug auf die psychische Gesundheit von jungen Menschen ist erdrückend und es passiert: Nichts.
„Nach fast zwei Jahren ehrenamtlichem Einsatz festigt sich bei uns der Eindruck, dass wir Familien und insbesondere unsere Kinder der Politik, aber auch der Gesellschaft egal sind“, ist Sina Denecke von Initiative Familien frustriert. „Auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder, den besonderen Schutz, den sie von uns bräuchten, wird überhaupt keine Rücksicht genommen. Wir fordern Priorität für Kinder: Jetzt!“
Neue Verordnung verschärft Situation von Kindern und Jugendlichen massiv
Anstatt sich endlich für die Schutzbedürftigsten unserer Gesellschaft stark zu machen und somit Kinder und Jugendliche zu entlasten, nimmt die Politik diese immer mehr in den Fokus. Erste Stimmen werden laut, die eine Impflicht für Kinder ab 12 Jahren fordern[1]. Und auch wenn in Niedersachsen Kultusminister Tonne dieses Szenario ausschließt[2], steigt der soziale Druck auf die jungen Menschen[3] weiter. Eltern berichten von Lehrer*innen, die vor der gesamten Klasse den Impfstatus einzelner Schüler*innen abfragen und Ungeimpfte auffordern, sich zu erklären. Eine Lehrerin prahlt im Netz damit, dass sie die ungeimpften Kinder am Fenster sitzen lässt, „sie sind für das Lüften zuständig und müssen sich naturgemäß wärmer anziehen. Dafür kommen die geimpften Kinder häufiger im Unterricht dran: sie haben sicherlich weniger Virenlast im Rachen“[4].
„So ein Verhalten von Lehrer*innen hätte vor Corona als Mobbing oder Diskriminierung für einen Aufschrei gesorgt“, sagt Denecke. „Heute wird der psychische Schaden, der durch die Maßnahmen bei den Kindern und Jugendlichen entsteht, billigend in Kauf genommen.“
Dabei hatte die Stiko mit ihrer Impfempfehlung für ab 12-Jährige im Sommer ausdrücklich davor gewarnt, deren soziale Teilhabe vom Impfstatus abhängig zu machen. Die Realität in Niedersachsen sieht nun anders aus und wird durch die aktuelle Corona-Verordnung weiter verschärft. Besonders kritisch: Auch für Jugendliche ab 12 Jahren gilt ab dem 1. Januar 2022 die 2G-Regelung, im Wortlaut: “Alle weiteren noch bestehenden Privilegien werden zum 1. Januar 2022 fallen – auch Jugendliche müssen sich also dringend impfen, wenn sie im nächsten Jahr am öffentlichen Leben teilnehmen wollen.“[5] Mit Impfbussen oder im Zoo sollen Impfangebote für Kinder und Jugendliche geschaffenwerden, obwohl die Stiko gerade für Kinder und Jugendliche eine Impfung beim behandelnden Kinderarzt empfiehlt, der eine individuelle Risikoabwägung und Beratung durchführen kann. Zudem sind Spritzen bei vielen Kindern mit Ängsten verbunden, weswegen es umso wichtiger ist, dass eine Bezugsperson dabei ist.
Sport nur noch für die Risikogruppe?
Viele Sportvereine haben bereits jetzt Trainings und Wettkämpfe abgesagt, weil die 2G Plus-Regel für die Ehrenamtlichen mit einem zu hohen Organisationsaufwand verbunden ist und die Testkapazitäten im gesamten Bundesland nicht ausreichen. Die hannoversche Schwimmschule Wassermeloni beispielsweise versucht den Betrieb weiter aufrecht zu erhalten, aber da für die Erwachsenen als Begleitpersonen beim Bringen und Abholen ihrer Kinder 2G Plus gilt, ist fraglich, ob das funktioniert.
Besonders verwunderlich mutet daher eine Forderung des Sprechers der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) an, der fordert, alle – natürlich vornehmlich älteren – Menschen mit bereits vorhandener Boosterimpfung von der 2G-Plus Regel zu befreien[6]. “Natürlich verstehen wir, dass die langen Schlangen vor den Testzentren eine Herausforderung für Senior*innen sind. Aber dass nun genau die Risikogruppe, für deren Schutz unsere Kinder seit zwei Jahren massivste Einschränkungen in Kauf nehmen, fordert, von all den Maßnahmen befreit zu werden, grenzt an Absurdität”, so Sina Denecke.
Die Forderung des BAGSO entbehrt zudem jeder wissenschaftlichen Grundlage, haben doch ältere Personen trotz Impfung immer noch ein höheres Risiko für schwere Verläufe als Kinder. Sina Denecke: “Wir Eltern sind ehrlich verzweifelt. Uns gehen zu Hause langsam die Erklärungen aus, warum jetzt Fußball, Tanzen oder Musikunterricht schon wieder nicht stattfinden kann, während Stadien voll sind. Und dann auch noch die große Angst vor erneuten Kita- und Schulschließungen. Unsere Kinder haben allen Schutz verdient, den eine Gesellschaft bieten kann. Wie wäre es denn, wenn wir nach zwei Jahren Pandemie den Kindern und Jugendlichen mal etwas zurückgeben, sie weiterhin von allen 2G (Plus) Maßnahmen befreien, ihre Freizeitangebote weiterlaufen lassen und uns als Erwachsene zurücknehmen und verzichten, um das zu ermöglichen?”
[1] Schulen wieder „sicher machen“: Söder stellt Impfpflicht für Kinder ab zwölf zur Diskussion – n-tv.de
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Kultusminister-Tonne-fordert-allgemeine-Impfpflicht,impfpflicht184.html
[3] Eltern sind fassungslos: Politik prüft Impfpflicht für Kinder – Initiative Familien
[4] Zitat aus den Kommentaren unter folgendem Artikel https://www.welt.de/debatte/kommentare/article235387210/Corona-Die-Spaltung-der-Gesellschaft-ist-in-den-Schulen-angekommen.html
[5] https://www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/ernste-lage-auch-in-niedersachsen-erneute-verscharfung-der-corona-regelungen-206190.html
[6] https://www.evangelisch.de/inhalte/193716/01-12-2021/senioren-sprecher-aeltere-von-2g-plus-befreien